Kriminalität
Diese Frau kämpft gegen ganz harte Jungs

Sabine Nagel ist die einzige Polizeichefin in der Oberpfalz. Der Schwerpunkt ihrer Dienststelle: Organisierte Kriminalität.

05.03.2016 | Stand 16.09.2023, 6:55 Uhr
Sabine Nagel, einzige Polizeichefin im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Oberpfalz. −Foto: Lex

Für die Gerechtigkeit hat Sabine Nagel auch schon die Schaufel in die Hand genommen und Gräber von Kriegsopfern im Kosovo aufgegraben. „Wie sind diese Menschen ums Leben gekommen?“ Das war die Frage, der sie und ihre Kollegen 1999 auch in einer Leichenhalle nachgingen. Ihr Ziel: Die Täter vor das UN-Kriegsverbrechertribunal zu bringen.

„An dieser Aufgabe bin ich auch gewachsen“, sagt Sabine Nagel. Seit kurzem ist sie in Regensburg Chefin der „KPI (Z)“, der Kriminalpolizeiinspektion mit „Zentralaufgaben“, – und damit derzeit die einzige Frau an der Spitze einer Polizeidienststelle in der Oberpfalz. Auch die erste, die eine solche Aufgabe dauerhaft wahrnimmt, kürzlich verließ eine Kollegin, die ein halbes Jahr lang eine Inspektion im Landkreis Schwandorf leitete, die Station auf dem Weg nach weiter oben.

Die 48-jährige Sabine Nagel, der ihr Schreibtischjob jetzt ein taubenblaues Spitzenoberteil und einen dunkelblaue Wollblazer als Dienstkleidung erlaubt, ist schon im „höheren Polizeivollzugsdienst“ angekommen. Das für Laien kryptisch wirkende Z passt gut zu dieser Dienststelle. Es heißt, dass sie die anderen Polizeiinspektionen unterstützt, wenn ein Fall zu „umfangreich“ für sie wird: Die Z-Leute observieren, sie ermitteln verdeckt. Zuständig sind die Beamten, 15 Prozent davon sind Frauen, für Islamismus, Extremismus, Terrorismus, organisierte Kriminalität und Bandenkriminalität.

Die Grenznähe zieht Täter an

Über das, was sie sagen kann, ohne Ermittlungen zu gefährden, plaudert Sabine Nagel in einem Besprechungsraum im Polizeipräsidium offen und freundlich. Ein Eldorado der organisierten Kriminalität sei die Oberpfalz nicht. Doch gelte: „Die Grenznähe macht uns natürlich auch attraktiv für Täter.“ Das gilt für Autoschieber und Crystal-Dealer, aber auch für Waffen- und Menschenhändler. „Es nützt nichts, nur die kleinen Fische zu fangen“ – nach dem Motto arbeiten sie hier, so formuliert es ein Beamter.

Bei den kleinen Fischen hielt sich Sabine Nagel nicht lang auf. „Das ist ein Beruf, der viele Perspektiven bietet“, deshalb hatte sie sich in den 80ern für die Polizei entschieden. Sie nutzte auch die Möglichkeiten, die die klassische Beamtenlaufbahn nicht vorsieht.

Als junge Polizistin in Niedersachsen kürzte sie die üblichen Jahre im Einsatzzug, der Polizei für Großeinsätze in Fußballstadien und bei Demonstrationen, auf zweieinhalb ab. Sie fand die „neue Herausforderung“ beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden. „Da habe ich mich erst um Terrorismusbekämpfung gekümmert.“

Während sie nach dem Studium für den gehobenen Dienst aufstieg zur Einsatzleiterin in einer Observationseinheit für organisierte Kriminalität und Staatsschutz, dem „Mobilen Einsatzkommando“, ließen sich in Bayern die ersten Frauen in Polizeiuniform ausbilden; ab 1990 durften sie zur Schutzpolizei, vorher nur zur Kripo.

Sabine Nagel verfolgte in den 90ern die „AIZ“. „Die sagten, sie seien RAF-Nachfolger.“ In der „Analyse“ legte sie Grundlagen für Ermittlungen, vor allem im Rockermilieu und gegen die italienische organisierte Kriminalität. Im Einsatzkommando lernte sie, dass verdeckte Ermittler „unheimlich viel Sitzfleisch“ brauchen, aber auch eine „unglaubliche Auffassungsgabe“.

Im BKA lernt sie ihren Mann kennen

„In der Observationseinheit habe ich meinen Mann kennengelernt“, erzählt sie im selben Plauderton. Der Bundespolizist hospitierte im BKA. Sein Sohn, um den sich die Patchworkfamilie gemeinsam kümmerte, war im Kindergartenalter, als Sabine Nagel und ihr Partner 2001 heirateten. Kurz darauf gelang ihr der berufliche Sprung nach Bayern, zum Landeskriminalamt.

„Da bin ich dann gelandet, erst mal bei der Geldwäsche.“ Auch die Einziehung von Gewinnen aus Straftaten lag in ihrer Hand. Sie stieg auch hier auf. Als Sachgebietsleiterin Wirtschaftsdelikte und Korruptionsbekämpfung war sie zuständig für die Ermittlungen gegen die Vorstände der einstigen Pleitebank Hypo Real Estate, gegen die der Landesbank und den Abschluss der Aufklärung der Siemens-Schmiergeldaffäre. „Ein Glücksgriff“, sagt sie – bald kam der nächste. Als Vertreterin des Polizeipräsidiums Niederbayern kümmerte sie sich in leitender Funktion um dieSicherheit des G-7-Gipfels in Elmau. „Das ist so ein Einsatz, der sich einem Polizisten einmal im Leben vor die Füße legt.“

Privat sei sie ein „ziemlich bodenständiger Mensch“. In ihrem Garten im Landkreis Straubing-Bogen wächst nun auch das Nordgemüse Grünkohl.

Ihre Kollegen schätzen ihre kommunikative Art und ihre vielfältigen Erfahrungen als Kriminalerin. „Das hilft uns natürlich jetzt“, sagt ihr Stellvertreter über ihre Zeit beim BKA und LKA. „Man hat da einen anderen Weitblick.“ Vorausgeschickt hat er: Es sei bei der Kripo nichts Außergewöhnliches, dass Frauen den gleichen Job ausüben wie Männer. „Es ist letztendlich mal Zeit geworden für eine Chefin.“