Natur
Name für das Falken-Küken gesucht

Die Netzgemeinde darf Vorschläge machen. Seit Mai genießt nicht nur der Jungvogel im Regensburger Rathausturm neue Ausblicke.

12.05.2016 | Stand 16.09.2023, 6:48 Uhr

Wie soll ich heißen? Der neugierige kleine Falken-Wattebausch im Rathausturm hat noch keinen Namen. Screenshot: Webcam Aumer

Es ist ein ganz besonderer Ort, um ins Leben zu starten: Auf dem Regensburger Rathausturm zockelt das pelzige Knäuel immer wieder an den Rand des Horstes, wenn die Falkenmutter mit neuer Nahrung eintrifft. Das Jungtier wirkt noch ein wenig unsicher, aber es ist neugierig und hungrig. Einen Namen hat es bisher noch nicht. Alle dürfen hier mitbestimmen, denn die Betreuer sind auch offen gegenüber den Vorschlägen der Netzgemeinde. Die folgt den Falken eifrig im Internet. Thomas Aumer war mit seiner Falken-Webcam im Rathausturm einer der Pioniere. Bis heute haben die Seitewww.rathausturm-wanderfalken.deund diegleichnamige Facebook-Seitetausende treue Fans. Das Bild vom ersten Ei sahen in diesem Jahr allein 18 000 Personen. Die Webcam verfolgen im Schnitt 50 Personen, sagt Aumer. Zu Spitzenzeiten mit bis zu 300 Zuschauern, stoße der Server zuweilen an seine Grenzen.

Mit Sicherheit unter Beobachtung

Für Aumer ist die Webcam ein wichtiges Instrument für die Sicherheit seiner Schützlinge. Und natürlich hilft sie auch, das Interesse und damit das Bewusstsein für die Tiere zu erhalten. Der Wanderfalke ist der schnellste Vogel der Welt: Ein Vogel der Superlative und ein seltener Vogel. Gebrütet wird einmal pro Jahr. Bis zu maximal vier Eier legt ein Weibchen. Bisher gab es auch im Rathaus in der Regel zwischen drei und vier Junge pro Jahr. Und auch in diesem Jahr wurden drei Eier gelegt.Letztlich schlüpfte am 18. April dann aber nur ein Küken. Die anderen drei Eier wird Aumer im Herbst aus dem Horst herausnehmen. Sie wurden entweder nicht befruchtet oder unterkühlt. Schon ein Hubschraubereinsatz kann dazu führen, dass das Weibchen dem Horst zu lange fernbleibt und das Ei nicht so ausgebrütet wird, wie es soll. „Wenn bis jetzt nichts daraus geschlüpft ist, passiert da nichts mehr“, sagt Aumer.

Doch er ist natürlich auch über das eine Küken sehr froh. Durch den Einsatz des Insektizids Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) seien die Falken über Jahre stark dezimiert worden. Mitte der 70er-Jahre stand der Wanderfalke in Deutschland kurz vor dem Aussterben. „Über ihre Beutetiere haben die Falken den Stoff aufgenommen. Das führte dazu, dass die Eierschalen zu dünn wurden. Die Eier zerbrachen beim Brüten. Es gab keinen Nachwuchs mehr.“ Lange Zeit war nicht klar, ob sich die Bestände überhaupt wieder erholen. Viele Brutstätten wurden daher überwacht, damit nichts schiefläuft. Marder, Füchse oder Uhus sind eine zusätzliche Bedrohung für Falken. Und es gebe auch Menschen, die die Vögel nicht gern in ihrer Umgebung sehen, sagt Aumer. Mit dem Verbot der Pestizide änderte sich die Situation. Durch das Engagement des Landesbunds für Vogelschutz (LBV) gibt es in Deutschland unterdessenwieder mehr als 600 Falken-Paare.

Auch das Nesthäkchen im Rathausturm wächst und gedeiht bislang prächtig. „Unserem neugierigen kleinen Wattebausch wachsen schon die ersten Federkiele“, schreibt Aumer auf der Facebook-Seite der Rathaus-Falken. Und es ist neugierig: Das Küken wagt sich immer wieder zum Horst-Ausgang. Vergangenen Freitag hat Thomas Aumer daher die Webcam vorsichtig umgestellt.

Ein neuer Blickwinkel tut sich auf

Ein neuer Blickwinkel tut sich nun auf: Anstelle der direkten Draufsicht wird nun von schräg oben gefilmt. Die Falkeneltern sind dadurch bei der Fütterung deutlich zu erkennen. Und auch der Kohlenmarkt ist unterhalb des Horstes deutlich zu identifizieren: So sehen die Rathausfalken also die Regensburger. „Manche finden die neue Perspektive super, andere finden sie weniger gut“, sagt Aumer. „Ich will es einfach nicht immer gleich machen.“ Die Möglichkeiten seien ohnehin begrenzt und es gehe auch nicht darum eine Reality-Show wie Big Brother zu machen. Denn das oberste Gebot lautet für Aumer: Die Aufzucht der Wanderfalken muss so störungsfrei wie möglich ablaufen. „Wenn man den Kleinen mal eine Stunde nicht sieht, ist das nicht schlimm. Wichtig ist, dass das Brutgeschäft nicht gestört wird.“ Das Beobachtenkönnen sei nur ein schöner Nebeneffekt.

Auch die ersten Flugversuche werden mit der neuen Kameraperspektive gut zu verfolgen sein. Bis das Küken damit startet, dauert es aber noch ein bisschen. „Das passiert erst, wenn die Federn komplett ausgereift sind“, sagt Aumer. „In den ersten zwei Juniwochen wird der Jungvogel aber wohl schon erste Flatterversuche auf dem Balkon unternehmen.“ In den vergangenen Jahren seien hier schon manche Falken sehr früh sehr schnell unterwegs gewesen. „Da hatten wir schon ein mulmiges Gefühl.“ Als Einzelkind werde das jetzige Küken aber von zwei Elternteilen besonders gut versorgt. „Es wird schnell sehr kräftig werden“, ist Aumer überzeugt. „Und wenn die Eltern dann versuchen, es mit Futter wegzulocken, passiert es einfach und die ersten Flugversuche beginnen.“

Bisher fliegen nur fremde Federn

Bisher fliegen im Horst aber nur die Federn der Beutetiere. Die Falken fressen ausschließlich Vögel – vornehmlich Stadttauben. Die Jäger warten dabei, bis die Tauben frei in der Luft fliegen. Sie kreisen über der Stadt, nehmen ihr Ziel ins Visier und schlagen dann in dem berühmten Wanderfalkensturzflug von oben herab mit bis zu 300 Stundenkilometern zu. „Die Falken haben eine unglaubliche Kraft in den Krallen. Wenn sie zugreifen, gibt es kein Entkommen mehr. Sie sind wirklich sehr erfolgreiche Jäger“, sagt Aumer. Das Revier der Regensburger Falken erstreckt sich über mehrere Quadratkilometer. Sie fliegen gern die Winzerer Höhen ab. Aber auch in Richtung Osten finden sie Jagdstellen. „Eine dringende Not, weit herumzureisen haben sie nicht, in der Stadt ist die Ernährungssituation sehr gut.“

Im Herbst wird der noch namenlose Jungfalkein den Süden fliegen und dort überwintern. Wenn er im nächsten Jahr zurückkommt, muss er sich hier einen eigenen Brutplatz und einen Partner suchen. „Das ist eine große Herausforderung. Es ist wirklich nicht selbstverständlich, dass das alles so klappt“, sagt Aumer. Das sehe man heuer. Weil es nur ein Küken gab, sei dieses Jahr eigentlich ein Rückschritt für die Population. „Wenn das nur einmal passiert, ist das noch kein Drama“, sagt der Spezialist. „Aber wir müssen sehr darauf aufpassen, dass es keine Störungen gibt. Denn das kann dazu führen, dass die Brut nicht so abläuft, wie gewünscht oder sich die Falken einen anderen Brutplatz suchen.“

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