Menschen
Ein Leben zwischen zwei Welten

Wolfgang Brandl ist Radprofi. Der MZ stand der Burglengenfelder, dessen zweite Heimat Ecuador geworden ist, Rede und Antwort.

27.10.2017 | Stand 16.09.2023, 6:27 Uhr

Radsportprofi Wolfgang Brandl. Zwei Jahre will er noch Rennen bestreiten, dann baut er möglicherweise seine Reiseagentur aus oder setzt sein Studium fort. Foto: privat

Wolfgang Brandlist seit zwei Jahren Radsportprofi. Der MZ stand der 31-jährige Burglengenfelder, dessen zweite Heimat Ecuador geworden ist, während eines Aufenthalts in Peru Rede und Antwort.

Herr Brandl, wann und wie kamen Sie zum Radrennsport?

Als Jugendlicher war ich bereits bei Mountainbike-Rennen am Start, hatte aber dann eine längere Pause und kam mit 23 Jahren zum Straßenradsport. Meine Eltern sind selbst Radrennfahrer gewesen (vor allem im Mountainbike- Bereich), und da lag es quasi in den Genen. Nachdem ich des Öfteren mit dem Rennrad trainiert hatte, kam 2008 der Entschluss, es auch mal bei einem Rennen zu probieren. Das klappte so gut und machte so viel Spaß, dass ich in den Lizenzradsport eingestiegen bin.

Sie sind jetzt Profi. Mit welchen Perspektiven? Gehen Sie irgendwann auchbei der Tour de France an den Start?

Natürlich habe ich gerade in den 90er Jahren im Fernsehen die Tour de France rund um Team Telekom und Jan Ullrich verfolgt, und da träumt man davon, selbst dort zu starten. Jedoch ist es mit 23 Jahren relativ spät, um es dorthin zu schaffen. Man hat die gesamte Radsportausbildung im Verband und entsprechenden Kader verpasst, zudem fehlen die Erfahrung und vor allem die nötigen Kontakte.

Meine Perspektive im Radsport ist vor allem, internationale Radrennen zu fahren, um mich auf hohem Niveau messen zu können (teilweise trifft man auf die ganz großen Namen im Radsport), aber auch um verschiedene Länder zu bereisen. So bin ich 2016 auf fünf Kontinenten insgesamt über 60 Radrennen gefahren.

Bitte beschreiben Sie in wenigen Sätzen die „Faszination Radsport“.

Radsport ist für mich die Möglichkeit, mich frei in der Gegend zu bewegen, meine Heimat oder auch fremde Regionen zu erkunden.

Wie schaut’s in diesem Geschäft mit der Bezahlung aus – nur damit wir einen Vergleich zum Profifußball haben.

Würde ich nach dem bezahlt werden, was ich trainiere und Aufwand betreibe, würde ich wohl mehr verdienen als die meisten Bundesligakicker. In der Vorbereitung sind Trainingswochen mit mehr als 30 Stunden keine Seltenheit. Neben fünf bis sechs Stunden täglich am Rad kommen noch Einheiten wie Stretching, Stabilisationsübungen, Regeneration, Yoga etc. dazu. Natürlich auch noch der Aufwand für Materialpflege oder die Reisezeit zu den einzelnen Rennen. 2016 waren es insgesamt 40 Flüge.

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Leider werden Radsportler nicht so gut bezahlt wie Fußballer, aber mir reicht es aus, um den Traum zu leben und um ferne Länder zu bereisen. Sollte man es finanziell fußballtechnisch einordnen, würde ich von Regionalliga ausgehen. Neben einem kleinen Gehalt werden die Kosten für Material und Reisen vom Team übernommen.

Bitte skizzieren sie wesentliche Etappen Ihrer Karriere!

Als ich mit 23 angefangen habe (2009) bin ich zwei Jahre lang als Elitefahrer in der A-Klasse auf nationaler Ebene für den RSC88 Regensburg gefahren, 2011 bis 2014 dann vier Jahre beim „Team Marinbikes“ aus Herpersdorf, 2015 und 2016 Rad-Bundesliga, 2016 bereits als Gastfahrer für das kalifornische Team Centric aus Los Angeles und seit 2017 für das Kontinental Team Movistar Ecuador.

Und dort läuft es offenbar richtig gut für Sie.

Mit dem Profiteam Movistar Ecuador war ich 2017 vor allem in Nord- und Südamerika unterwegs (Kanada, USA, Dominikanische Republik). Mein Team war des weiteren noch in Kolumbien, Ecuador, Guatemala und Mexiko. Dabei konnte ich ein Rennen in Seattle, Washington gewinnen sowie mehrere Top-10-Ergebnisse in Vancouver, Kanada oder Milwaukee, Wisconsin verbuchen. Im August war ich für einen Monat in Deutschland, wo ich bei nationalen Rennen teilnahm und regelmäßig auf das Podest fuhr (Bamberg 3., Meiningen 2., Niederfrohna 3., Ansbach 3.). Ende November geht es zu einem weiteren Rennen in Panama.

Wie groß ist Ihr aktuelles Team und welchen Stellenwert hat es in der Szene?

Das Team besteht aus elf Fahrern, hauptsächlich aus Ecuador und Kolumbien und mich als einzigem Europäer. Dazu kommen noch pro Jahr zwei bis drei Fahrer, die man als Stagiaire (vergleichbar Praktikant) verpflichtet, die dann meistens im darauffolgenden Jahr übernommen werden.

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Das Team hat eine Profi-Lizenz „Continental“, und wir können damit weltweit Rennen fahren. Es gibt auch das „große“ Team Movistar, welches aus Spanien kommt und quasi in der „ersten Liga“ fährt und an Rennen wie der Tour de France, Giro d’Italia oder Vuelta a Espana teilnimmt.

Pro Jahr schafft es einer von unserem Team ins große Team. 2017 konnten wir in den USA als Debütanten bei der Tour of the Gila, New Mexico, das Bergtrikot gewinnen und ebenso bei Cascade Cycling Classics in Oregon das Bergtrikot sowie zwei Podestplätze auf einzelnen Etappen. Das ist angesichts eines Profifelds mit 200 Fahrern für Debütanten eine herausragende Leistung.

Was sind Ihre Pläne nach dem Rennsport? Sie haben ja in Nürnberg Wirtschafts-Ingenieurwesen studiert.

Neben dem Radsport betreibe ich schon eine Reiseagentur für weltweite Abenteuerreisen und zudem für Alpenüberquerungen mit dem Mountainbike. Aktuell sitze ich mit einer Reisegruppe in Cusco, Peru, und bereite sie auf die Wanderung nach Machu Picchu vor. Rein altersmäßig würde es mit dem Rennsport sicher noch fünf bis sechs Jahre gehen, aber ich denke, dass ich maximal noch ein bis zwei Jahre es so betreiben werde und dann entweder das Studium fortsetze – oder die Reiseagentur ausbaue.

Wolfgang Brandl sammelt Material für Kollegen aus ärmeren Staaten. Der Erfolg ist überwältigend. Lesen Sie hier:Der Radsportprofi mit dem „Doppelherz“

Sie schreiben uns gerade aus Peru, doch zu Ihrer zweiten Heimat ist Ecuador geworden. Wie kam es dazu?

Ich habe 2016 meine derzeitige Freundin Angela Brito in Kalifornien kennengelernt. Sie ist professionelle Läuferin und war 2017 bei der Leichtathletik-WM in London im Marathon am Start. Da ich nicht wusste, wie wir beide zusammen leben können, habe ich mich entschlossen, mich für das Team Movistar Ecuador zu bewerben. Dem fehlte nämlich ein erfahrener Fahrer, der im Sprint seine Stärken hat und mit Englisch und Deutsch dem Team noch im Ausland helfen kann. Und so lebe ich nun, je nach Jahreszeit, ein halbes Jahr in Ecuador und dann wieder ein halbes in Deutschland.

Ecuador ist wegen seiner Höhenlage gerade auch bei Sportlern berühmt-berüchtigt. Wie gehen Sie damit um?

Momentan geht’s mir prima. Aber ich benötige schon immer ein zwei Wochen, um mich zu akklimatisieren. Anfangs ist es jedes Mal komisch, wenn man als relativ junger, durchtrainierter Menschen zum Beispiel beim Treppensteigen von älteren Leuten locker überholt wird.

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