MZ-Serie
Patellaluxation: Eine eklige Verletzung

Die Knieverletzung kostete Ilkay Gündogan die EM 2016, doch auch Amateure sind oft betroffen. Dr. Rueth erklärt die Ursachen.

07.03.2019 | Stand 16.09.2023, 5:51 Uhr
Markus-Johannes Rueth

Verletzungen am Knie treten vor allem bei jüngeren Patienten auf. Eine Patellaluxation zählt dabei zu den schwereren Verletzungen. Diese kann nicht nur Profi- oder Hobbysportler, sondern auch Personen treffen, die Besonderheiten in ihrer Anatomie besitzen. Foto: Christin Klose/dpa

Es ist wohl eine der schmerzhaftesten Verletzungen, die sich ein Sportler nur vorstellen kann: die Partellaluxation. Betroffen sind meist junge Patienten, denen im Verlauf der Behandlung oft nicht nur eine Operation, sondern auch eine lange Leidenszeit bevorsteht. Dr. Markus-Johannes Rueth, Chefarzt der Sportklinik Lindenlohe, erklärt, wie es zu dieser schweren Knieverletzung kommt, welche Ursachen dafür verantwortlich sind und wie man betroffene Patienten bestmöglich behandelt.

Was genau ist eigentlich eine Patellaluxation und wieso tritt eine derartige Verletzung bei Sportlern auf?

Die Kniescheibe – oder Patella – hat eine V-förmige Kontur und läuft mittig in einer Rinne des Oberschenkelknochens, dem Gleitlager. Bei akuten Verletzungen oder sehr lockeren Bändern kann die Kniescheibe aus diesem Gleitlager herausrutschen und sich seitlich am Oberschenkel verhaken, was als Verrenkung oder Luxation bezeichnet wird. Das führt oft zu Verletzungen der Bänder, die die Kniescheibe stabilisieren, oder auch zu Knorpelschäden. Man unterscheidet dabei eine akute von einer chronischen Luxation. Die Kniescheibe ist ein sogenanntes Sesambein und unterstützt die Kraftübertragung zwischen Ober- und Unterschenkel. Die Stabilisierung der Patella erfolgt durch drei Faktoren: Durch die am oberen Pol ansetzende Quadriceps-Muskulatur, Knöchern durch das Gleitlager des Oberschenkels sowie durch Bänder, die die Kniescheibe an der Außen- und Innenseite mit dem Oberschenkel verbinden. In den meisten Fällen springt die Kniescheibe aus ihrer Führung, wenn die Patienten Besonderheiten in der Anatomie haben, die als Risikofaktoren des „Patella-Gleitens“ zu sehen sind. Ein akuter Unfall durch eine direkte Krafteinwirkung ist eher seltener der Grund für eine Luxation. Die vom Patienten beschriebene „Verdrehung des Kniegelenks“ ist sozusagen der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Was sind die Symptome für eine Patellaluxation und was ist bei einer solchen Verletzung als erstes zu tun?

Wie wird eine Patellaluxation untersucht und diagnostiziert und wie sieht die Behandlung aus?

Eine Luxation der Kniescheibe kann zu Verletzungen der Bänder, kleinen knöchernen Absprengungen und Knorpelschäden führen. Daher sollte am Unfalltag in einer Notaufnahme eine Röntgendiagnostik und eine Ultraschalluntersuchung erfolgen sowie die Kniescheibe eingerenkt werden. Anschließend muss das Knie mit einer Schiene stabilisiert werden. Ergänzend ist eine MRT-Untersuchung des Kniegelenks anzuraten. Mit diesen Befunden sollte man sich zeitnah bei einem Spezialisten vorstellen, um eine Risikofaktoren-Analyse zu erstellen und abhängig davon die geeignete Therapie zu planen. Eine pauschale Aussage, dass eine erstmalige Luxation immer nur konservativ therapiert wird, kann nicht getroffen werden. Wenn die Verletzungen der Bänder und der Kniescheibe nur sehr diskret sind, kann bei geringer Anzahl von Risikofaktoren eine konservative Therapie erfolgen. Hierfür legt man eine Schiene mit einer Limitierung der Beugung im Kniegelenk für etwa sechs Wochen an.

Wann sollte eine Kniescheibe operiert werden und wie sieht eine OP nach einer Luxation genau aus?

Eine OP ist dann ratsam, wenn eine chronische Instabilität der Kniescheibenführung vorliegt und das Risiko einer erneuten Luxation deshalb sehr hoch ist. Akute Verletzungen der stabilisierenden Bänder der Kniescheibe oder Knorpelschäden, die direkte Folge eines Unfalls sind, sollten ebenso operiert werden, wenn dadurch die Wahrscheinlichkeit einer Re-Luxation oder eine vorschnelle Arthroseentwicklung stark erhöht wird. Bei einer Operation wird eine Spiegelung des Kniegelenks durchgeführt. Begleitverletzungen des Knorpels, des Meniskus oder der Kreuzbänder werden mit therapiert. Danach erfolgt eine detaillierte Analyse der Rückfläche der Kniescheibe und eine Begutachtung der Kniescheibenführung. Sollte sich herausstellen, dass die Bänder der Kniescheibenführung nicht mehr ausreichend fest sind und dadurch eine Re-Luxation wahrscheinlich ist, erfolgt eine Stabilisierung. Hierfür wird aus dem Oberschenkel eine Sehne entnommen und als Bandersatz an der Innenseite der Kniescheibe angebracht.

Wie lange dauert der Heilungsprozess und ab welchem Zeitpunkt ist es wieder ratsam, sich sportlich zu betätigen?

Nach einer Operation erfolgt die Ruhigstellung des Kniegelenks in einer beweglichen Schiene. Dabei wird die Beugung im Kniegelenk zunächst für einigen Wochen eingeschränkt, um die Einheilung der Bänder zu ermöglichen. Danach kann schrittweise die Bewegung wieder ausgebaut und die Belastung gesteigert werden. Die sportliche Belastbarkeit ist abhängig von der Begleitverletzungen. In der Regel ist diese aber erst nach sechs bis zwölf Monaten wieder gegeben. Bei einer konservativen Therapie sollte der Patient zudem einige Wochen an Krücken gehen, um das betroffene Bein zu entlasten.

Die Serie mit Dr. Markus-Johannes Rueth:

An jedem ersten und dritten Donnerstag im Monat gibt Dr. Markus-Johannes Rueth, Chefarzt der Sportklinik Lindenlohe, Einblick in seine Arbeit.Der 40-Jährige behandelte vor seiner Zeit an der Asklepios-Klinik bereits Fußball-Profis des VfB Stuttgart und der Stuttgarter Kickers. In unserer MZ-Serie macht Rueth spezifische Sportverletzungen zum Thema und gibt Auskunft über Symptome, die Diagnose und die bestmögliche Behandlung. Der zweite Teil dieser Reihe erscheint am 21. März. Dann beschäftigt sich Dr. Rueth mit dem Thema „Ellenbogen“. Dieses stellt für die behandelnden Ärzte oft große Herausforderungen dar.

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