Geschichte
Rätsel um altes Getreidelager ist gelöst

Ist das geheimnisumwitterte Haus an der Steinberger Straße in Schwandorf ein Lebensmittellager für den Katastrophenfall?

17.06.2016 | Stand 16.09.2023, 6:42 Uhr
Elisabeth Hirzinger
Das Getreidelager wurde im Dritten Reich gebaut und gehört seitdem der Firma GfL aus Hessen. −Foto: Hirzinger

Fast jeder in Schwandorf kennt das 42 Meter hohe Haus an der Steinberger Straße. Es steht da, wie die MZ recherchierte, seit 1939. Auf den ersten Blick wirkt das Gebäude verlassen. Unkraut wuchert auf den Gleisen, die direkt an der Ladestation vorbeiführen. Kein Firmenschild weist von ferne auf den Besitzer hin. Und trotzdem tut sich in dem alten Gemäuer was. Nachbarn berichten von Lkw-Kolonnen die Getreide anliefern. Aber zu welchem Zweck?

Hartnäckig hält sich seit Jahren ein Gerücht: Demnach soll in dem Haus Getreide für den Katastrophenfall gebunkert werden. Im Auftrag der Regierung, wird gemunkelt. Dem wollte die MZ auf den Grund gehen. Wir haben die Firma ausfindig gemacht, die dieses Lager, und noch viele andere, betreibt.

Im Internet existiert die Firma GfL, eine Gesellschaft für Lagereibetriebe mit beschränkter Haftung, nur unter Brancheneinträgen. Eine Homepage sucht man vergeblich. Aber das Unternehmen gibt es, und es ist, wie unter „Firmen Wissen“ nachzulesen ist, „wirtschaftsaktiv“. Auch dass das Unternehmen in Nidda derzeit von zwei Managern geführt wird und „ein Gesellschafter an der Unternehmung beteiligt ist“, ist dort vermerkt. Aber das war es dann auch schon.

Die MZ testete die angegebene Telefonnummer der Firma mit Sitz in Hessen und hatte schnell Kontakt mit der Geschäftsführerin namens Gebhardt-Alider. Doch die gab sich im Gespräch zugeknöpft. Die 16 Fragen, die wir vorab per Mail an sie geschickt hatten, wollte sie nicht beantworten – mit Verweis auf eine Schweigepflicht, der sie unterliege. Gebhardt-Alider deutete an, dass die Gesellschaft für Lagereibetriebe „hoheitliche Aufgaben“ erfülle. „Niemand weiß etwas von der Firma GfL, außer uns“, verriet sie noch.

Die Pressestelle des Bundeslandwirtschaftsministeriums nahm erst gar nicht Stellung zu dem Vorratslager in Schwandorf. Stattdessen meldete sich einen Tag später Hans Gerlach, der zweite Geschäftsführer der GfL, bei der MZ, der am Ende nur eine Frage offen ließ. Wie viele Lager das Unternehmen GfL betreibt, wollte Hans Gerlach nicht verraten. Er deutete lediglich an, dass es mehrere sind und dass darunter auch sogenannte Lager für den Krisenfall sind.

Vorräte für Krisenzeiten

Mehr als hundert Hallen soll es in ganz Deutschland geben. Hallen, in denen tonnenweise Getreide für Krisenfälle lagert. Für Naturkatastrophen, Terroranschläge, Seuchen oder für den Fall, dass es ein zweites Tschernobyl gibt. Und Hallen, die bis unters Dach gefüllt sind mit Linsen, Erbsen und Reis.

Wo die Notfallreserven für die Bürger des Landes gebunkert werden, wird streng geheim gehalten, um Plünderungen zu verhindern. Dass in Schwandorf in einem alten Gebäude rund 6000 Tonnen Getreide, Weizen, Gerste und Raps lagern, ist aber kein Geheimnis. Hans Gerlach lacht. Wäre das ein Lager für den Krisenfall, würde er kaum offen über Details reden, argumentiert der Geschäftsführer.

„Mit dem Beton würde man heute drei Silos errichten.“Hans Gerlach, Geschäftsführer der GfL

Der Geschäftsführer erzählt die Geschichte des Getreidelagers, die nicht mehr viele Schwandorfer kennen und die im Dritten Reich beginnt. 1939 wurden im Rahmen des sogenannten Reichsbauprogramms ca. 400 Lagerhallen gebaut. Das 42 Meter hohe Gebäude an der Steinberger Straße ist ein Überbleibsel aus dieser Zeit und genauso lange schon lagert die Gesellschaft für Lagereibetriebe aus Nidda dort, laut Hans Gerlach, Getreide von „Handel, Genossenschaften und Privatleuten“ aus der Region ein.

Das Haus ist massiv gebaut. „Mit dem Beton würde man heute drei Silos errichten“, sagt Hans Gerlach, der auch das Innenleben erklärt. Rund 6000 Tonnen Getreide werden in dem Silo in 36 verschiedenen Zellen gelagert, die bis zu 500 Tonnen fassen und zum Teil über sieben Stockwerke reichen.

„Geschlossenes System“ im Silo

Einmal im Jahr, zur Erntezeit, wird das Lager befüllt. Etwa 160 Lastwagen und Traktoren, hat Gerlach ausgerechnet, karren dann das Getreide an, das zunächst in den Keller abgekippt wird und von dort mit sogenannten Elevatoren in einem geschlossenen System nach oben transportiert und dann in die einzelnen Zellen verteilt wird.

Der Geschäftsführer legt Wert auf die Feststellung, dass das Getreidelager mit einer Entstaubungsanlage ausgerüstet ist, die „sogar überdimensioniert“ sei. Und die Fördermaschine sei so dicht, „dass da nicht ein Weizenkorn rauskommt“, und schon gar kein Staub.

Staubemissionen konnte auch das Landsratsamt nicht feststellen, das, nach Beschwerden von Nachbarn den Betrieb 2012 „intensiv“ überprüfte und, so die Pressestelle, feststellte, dass keine „unzulässigen Staubimmissionen zu erwarten sind“. Hinweise auf unzulässige Feinstaubemissionen lagen damals nicht vor, so das Landratsamt. Messungen fanden aber offenbar nicht statt.

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