Winterdepression
Krank durch Mangel an Licht

In den dunklen Monaten kann die Seele krank werden. Winterdepression trifft viele Menschen. Doch man kann vorbeugen.

17.11.2018 | Stand 16.09.2023, 5:58 Uhr
Angelika Lukesch

Die dunklen Monate legen sich aufs Gemüt. Foto: Pixabay/422694

Sie ist kein Mythos und auch keine Modekrankheit: Die Winterdepression, auch saisonale Depression genannt, ist eine reale Krankheit. Auch in Regensburg leiden mindestens fünf Prozent der Menschen daran.

Sie fühlen sich in den dunklen Monaten grundlos niedergeschlagen, antriebslos, ständig müde und haben oft Heißhunger auf Süßes. „Ein entscheidendes Kriterium ist, dass diese Symptomatik regelmäßig, konkret in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Jahren in den Wintermonaten vorkommt, die dann im Frühling rückläufig ist. Erst dann ist die Diagnose gerechtfertigt“, sagt die Regensburger Psychotherapeutin Stefanie Orthuber.

Annette Knödler, ebenfalls Psychotherapeutin in Regensburg, erzählt, dass sich in ihrer Praxis in den dunklen Monaten November, Dezember, Januar Patienten mit depressiven Verstimmungen/Winterdepressionen häufen. „Grundsätzlich haben wir im Winter Hochsaison und Jahr für Jahr mehr zu tun“, sagt Annette Knödler.

Lichtmangel macht krank

Die nach oben schnellende Rate resultiere zum einen aus einer gesteigerten Sensibilität für die Problematik sowie an einer zunehmenden Bereitschaft der betroffenen Menschen, sich in therapeutische Behandlung zu begeben.

Doch was ist es, das vielen Menschen in den dunklen Monaten auf die Psyche drückt? Die Ursache ist auch der Lichtmangel. „Weniger Licht führt dazu, dass weniger Serotonin, ein wichtiger Botenstoff in unserem Gehirn, vorhanden ist. Als Stimmungsaufheller wirkt Serotonin antriebssteigernd und wird bei Helligkeit vermehrt in den Sommermonaten gebildet“, erklärt Annette Knödler. Stefanie Orthuber kann mit Zahlen aufwarten: „Zum Vergleich: Die Lichtintensität beträgt an einem wolkenfreien Sommertag zirka 100 000 Lux, an einem grauen Wintertag vielleicht nur 3500. Künstliches Licht innerhalb geschlossener Räume bringt es gerade mal auf einmal 100 bis 200 Lux!“

Angst, in ein Loch zu fallen

Gerade in Regensburg macht sich dies noch deutlicher bemerkbar: „Regensburg und das Donautal sind mit ihren nebelverhangenen Herbsttagen und trüben Winterstunden unter therapeutischen Gesichtspunkten deshalb nicht die besten aller Wohnlagen“, stellt Knödler fest. Auch die Notfalldienste in Regensburg spüren die Schwere der dunklen Monate.

„Wir erleben einen leichten Anstieg von Anrufen von Menschen mit depressiven Verstimmungen in den Wintermonaten, aber auch im Frühjahr. Es gibt Klienten, die regelrecht Angst vor dieser Zeit haben; Angst, dass sie wieder in ein Loch fallen könnten“, sagen Anne Komorek-Magin und Georg Sammüller vom Krisendienst Horizont.

„Wenn es einen erwischt hat, sollte man sich Hilfe suchen!Annette Knödler, Psychotherapeutin

Harald Kelsch ist Vorstandsmitglied des Vereins „Irren ist menschlich“, einem Verein für Psychiatrieerfahrene in Regensburg und Umgebung. Er arbeitet mit im Regensburger Depressions-Trialog (regelmäßige Treffen zur Selbsthilfe) des „Regensburger Bündnis gegen Depression“. Kelsch ist zwar an einer nicht-saisonalen Depression erkrankt, doch auch er spürt die dunklen Monate: „Ich leide regelmäßig in der lichtarmen Jahreszeit an einer Verschlechterung der depressiven Symptomatik. In diesen Zeiten treten häufiger schwerere depressive Schübe auf.“

Dr. Stefan Gerhardinger von der Caritas der Diözese Regensburg ist Psychologe und psychologischer Therapeut. Er ist überzeugt, dass es bei der Winterdepression eine große Dunkelziffer gibt, „da wir den Winterblues eher als normal akzeptieren und ja immerhin (berechtigt) darauf hoffen können, dass das Frühjahr einen spürbaren Stimmungsumschwung bringt.“

Alle Fachleute betonen übereinstimmend, dass es wichtig sei, diese Erkrankung ernst zu nehmen und sich Hilfe zu suchen. Der Krisendienst Horizont rät dazu, sensibel zu sein für den Moment, wo es ohne Hilfe von außen nicht mehr gehe. Psychotherapeutin Klödler empfiehlt ebenfalls, sich Hilfe zu suchen: „Wenn es einen schon erwischt hat, ist es gut, sich helfen zu lassen. Dabei dürfen sich die betroffenen Menschen auf zwei Säulen stützen: die Psychotherapie und die Psychiatrie. Letztere steht für die Verordnung von Medikamenten, erstere verfügt über vielfältige therapeutische Interventionsmöglichkeiten.“

Was alle Experten, Beratungsdienste oder Betroffene ebenfalls anraten, ist die Lichttherapie mit Tageslichtlampen. Diese könne vorbeugend eingesetzt werden, aber auch helfen, wenn einen die Winterdepression schon erwischt hat. Mit der Anschaffung einer Tageslichtlampe könne sich der Betroffene etwas Gutes tun, sagt Stefanie Orthuber.

„Man sollte sie am besten am Morgen einsetzen, da sie sich am Abend möglicherweise schlecht aufs Einschlafen auswirken könnte. Betroffene sollten täglich zwischen 30 Minuten und drei Stunden davor sitzen und ab und zu direkt ins Licht schauen. Normalerweise stellt sich bereits nach wenigen Tagen eine Besserung der Symptomatik ein. Ist das nicht der Fall, sollte der Hausarzt befragt werden.“

Licht wirkt übrigens auch bei Gesunden leistungs- und antriebsfördernd.

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