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Vong Eierfeile: Spricht so die Jugend?

„I bims“ ist das Jugendwort des Jahres. Viele Neumarkter – auch junge Menschen – finden Jugendsprache lächerlich.

17.11.2017 | Stand 16.09.2023, 6:21 Uhr
Eine Noicemail ist eine Sprachnachricht einer nervigen Person. −Foto: picture alliance / dpa

„Hallo, I bims. Ich fermentiere mit meiner Squad so vor mich hin und habe gerade vong einem Paintballopfer eine Noicemail erhalten.“ Keine Sorge, dem Autor dieses Textes geht es gut. Er wollte nur auch einmal so fly sein, wie die Jugendlichen heutzutage.

Worte wie Squad, vong oder Noicemail standen zur Auswahl für das Jugendwort des Jahres 2017.„I bims“, die Verballhornung von „ich bin’s“, hat sich gegen die 29 weiteren Begriffe durchgesetzt.Das teilte der Langenscheidt-Verlag gestern mit. Nach einer vorgeschalteten Online-Abstimmung hatte sich eine Jury für den neuen Preisträger entschieden. Die 21-köpfige Jury aus Jugendlichen und Medienvertretern hatte zuvor aus über 1600 Einsendungen 30 Vorschläge in die engere Auswahl genommen, wie Gabriele Becker, Pressesprecherin des Langenscheidt Verlags auf Nachfrage sagt. Unsere Zeitung hat die Präsentation des neuen Jugendwortes zum Anlass genommen und Neumarkter Bürger befragt, ob sie jugendsprachliche Wörter kennen, die im Wörterbuch „100 Prozent Jugendsprache“ des Langenscheidt Verlags aufgelistet sind.

„Es stehen viele Wörter drin, die überhaupt nicht benutzt werden“, sagen zwei 16-jährige Mädchen, während sie durch das kleine, gelbe Büchlein blättern. Über „Chilladist“ stolpern sie kurz. „Das ist doch übertrieben. Das sagt keiner“, sagen die Schülerinnen des Ostendorfer Gymnasiums. Den Ausdruck „fly sein“ – übrigens das Jugendwort des vergangenen Jahres – oder das Wort „hobbylos“ verwenden sie aber auch, sagen die Mädchen. „Wenn wir aber in der Schule sind, verwenden wir diese Wörter nicht und reden ganz normal.“

Diesen Eindruck hat auch Markus Ott. „Die Jugendlichen passen ihre Sprache an die jeweilige Situation an“, sagt der Geschäftsführer des Kreisjugendrings Neumarkt. Es sei völlig in Ordnung, dass junge Menschen untereinander anders sprechen als mit Erwachsenen. „In der Pubertät entwickeln Jugendliche ihren eigenen Kopf und nehmen Wörter auf, die sie cool finden.“ Angst, dass sich jugendsprachliche Ausdrücke negativ auf die schulischen Leistungen auswirken, hat Ott nicht.

In unserem Video haben wir MZ-Redakteure in Neumarkt mit fünf jugendsprachlichen Wörter konfrontiert und sie raten lassen, was sie bedeuten:

Als wir Ott nach der Bedeutung von drei Wörtern aus dem Buch konfrontieren – Hüftharry, Paintballopfer und Senfautomat – muss er passen. „Ich habe die Wörter noch nie gehört“, sagt Ott und lacht. „Aber ein Senfautomat könnte ein Mensch sein, der viel Käse labert.“ Fast korrekt! Im Buch „100 Prozent Jugendsprache“ ist der Ausdruck übersetzt mit „Klugscheißer beziehungsweise jemand, der alles kommentiert“. Er sagt, aber dass er die „vong-Sprache“ kenne. Ein Beispiel: „Das ist Wetter ist heute nicht sehr schön so vong Wetter her.“

Lilli Roth, Christine Häring und Melissa Endres können mit diesen Ausdrücken und allgemein mit jugendsprachlichen Begriffen wenig anfangen. „Ich finde Jugendsprache lächerlich“, sagt die 21-jährige Endres. „Mit den Jugendwörtern des Jahres kann ich generell meist wenig anfangen“, sagt die 16-jährige Roth und die 24-jährige Häring sagt, dass die Kinder und Jugendliche, die sie kennt, nicht so reden. „Die verwenden solche jugendsprachlichen Wörter nicht, sondern unterhalten sich normal“, sagt Häring.

Wenn Jugendliche ihren eigenen Wortschatz haben, ist das ganz normal, weiß Prof. Dr. Paul Rössler. „Junge Menschen wollen sich mit ihrer peer-group, ihrer Gruppe, von anderen Jugendlichen und Erwachsenen abgrenzen“, sagt der Inhaber des Lehrstuhls für Deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Regensburg. Die Identifikation mit den eigenen Freunden und die Abgrenzung von anderen Menschen sei ein wichtiger Faktor für Jugendliche.

Der Professor sieht keine Gefahr

Jugendsprache findet Rössler nicht bedenklich. „In formellen Situationen verwenden Jugendliche diese Worte nicht“, sagt Rössler über Jugendsprache, wobei er betont, dass es nicht die eine Jugendsprache gebe. „Das sind Varietäten einer Sprache.“

Bei unserer Befragung in Neumarkt treffen wir eine Familie. Der 48-jährige Papa hat sichtlich Spaß und muss einige Male laut lachen, als er mit seinem elfjährigen Sohn das gelbe Buch mit Jugendwörtern durchforstet. Während der Vater allerdings nur wenige Wörter gehört hat, erkennt der Sechstklässler ein paar Ausdrücke mehr. Ob Jugendliche tatsächlich viele dieser angegebenen Worte verwenden, bezweifeln sie.

Das sei laut Langenscheidt-Pressesprecherin Becker aber auch nicht das Ziel. „Es ist einfach toll, wenn sich Jugendliche mit Sprache auseinandersetzen“, sagt sie. Es sei nicht entscheidend, ob und wo diese Begriffe von Jugendlichen benutzt werden. „Jugendsprache ist auch immer regional unterschiedlich.“ Deshalb sei das Buch auch mit einem Augenzwinkern zu sehen.

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